Claudia in Spanien - Zweiter Erlebnisbericht

So wie im Allgemeinen gedacht wird, Deutsche machen alles geordnet, nach Plan und machen sich damit Vieles kompliziert, so gilt verallgemeinert auch, Spanier leben ihr Leben nicht nach Plänen, sondern spontan, stressfrei und dadurch unkompliziert.  

Sehr viel unkomplizierter gehen die Spanier, die ich hier bis jetzt kennen lernen durfte, beispielsweise mit ihren Gemütszuständen um. Wenn Spanier (meist weibliche) mit schlechter Laune aufstehen, bekommen das alle Anwesenden – ggf. auch Aupairs – zu spüren und zur Rechtfertigung gibt es dann den spanischen Ausdruck: „Se tiene character.“ = Man hat Charakter. Das klingt für meine Ohren noch viel zu positiv. Schließlich würde man nach meiner Erziehung sagen: „Man hat keine Selbstbeherrschung“. In dieser Beziehung fehlt es den Spaniern oft an Fingerspitzengefühl für den Gegenüber, was auch dazu führt, dass Gastfamilien meist den „Wink mit dem Zaunpfahl“ seitens des Aupairs selten verstehen. Jedoch bewirken ebensolche Gefühlsausbrüche auch offene und ehrliche – wenn auch lautstarke – Aussprachen, nach denen laut meinen Erfahrungen auch selten Jemand nachtragend ist.  

Besonders aber im Straßenverkehr, wo man generell zügiges Fahrverhalten über züchtiges Regelbeachten stellt, wird diese Unkompliziertheit sichtbar. Hier herrscht eine gewisse Coolness vor. Zum Beispiel in diversen Parksituationen, in denen Parken entgegen der Fahrtrichtung, im absoluten Halteverbot oder auch in der 2. Reihe, zwar gelegentlich kontrolliert aber allgemein toleriert und akzeptiert wird. Letzteres ist übrigens ein Grund dafür, dass Spanier Tag täglich ihr Warnblinklicht verwenden!

Denn auch wenn man an der eigentlich verbotenen Stelle parkt, bedeutet das Warnblinklicht soviel wie: „ Komme gleich zurück“, und der Strafzettel bleibt erspart.
Ich, als Deutsche, habe bei diesem Anblick zunächst erstmal staunen müssen, nicht nur über diese offensichtlichen Regelverstöße, sondern auch über die Leichtigkeit, mit der diese begangen – und fast schon übersehen -  werden. Im Vergleich zu Deutschland sehe ich diese Leichtigkeit nicht. Denn dort führen die allgemein

 akzeptierten und respektierten Regeln und Kontrollen zu regelrechtem Unverständnis gegenüber Verkehrssündern, was ich in 99% der Fällen angebracht und notwendig finde, jedoch sehe ich jetzt, dass es sich mit ein bisschen mehr Verständnis gegenüber Parksündern sehr viel stressfreier parken ließe;)
Dass Spanier ihr Leben jedoch immer spontan, stressfrei und ohne Pläne leben, ist auch nur zum Teil wahr. Schließlich beginnt die Siesta hier pünktlich um 14 Uhr, worauf aufs Sehnlichste hingearbeitet wird. Lediglich ihr Ende ist planlos…

Liebe Grüße an meine Familie, Freunde und alle, die ab und an meine „zahlreichen“ Berichte lesen ; 

Claudia Pieper