Eine gute Idee war der Schlüssel zum Erfolg von Ulrich Cramer     20.03.2017


Ulrich Cramer, Foto aus dem Film „Container 50"

Im Januar 2016 erschien im „Anzeiger“ unter der Rubrik „Friesische Heimat“ der Bericht über den  Flüchtlingsjungen Adolf Filter unter dem Titel „Zeitungsbote wird Oberamtsrat“. In dem Bericht fand Filter lobende Worte für seinen Schuldfreund Ulrich Cramer: „Er hat mir damals sehr geholfen, um als Flüchtling Anschluss zu finden. Dafür bin ich ihm noch heute dankbar, er hat mir manches erleichtert“.
Doch auch Ulrich Cramer hat als
  „Werdumer Jung“ seine Spuren hinterlassen. Geniale Ideen waren Meilensteine seiner beruflichen Erfolge. Angefangen hat es mit einem Zufall. Nach seinem Ingenieurpraktikum bei Hanomag, Lanz und Borgward fehlten ihm noch sechs Monate Praktikumszeit. Diese absolvierte er bei Pekol, den Oldenburger Vorortbahnen. Theo Pekol hatte geniale Ideen im Omnibusbau, die er auch selbst verwirklichte. Er baute den ersten Trambus und den ersten Omnibus, der mehr trägt als er wiegt. Hierüber berichtet ausführlich der Historienkalender auf das Jahr 2012 des Hauses Brune & Mettker. Nach dem Praktikum arbeitete Cramer, neben seinem Studium Flugzeugbau und Kraftfahrzeugbau, sieben Jahre als Konstrukteur bei Pekol. Das Ergebnis war der unter Denkmalschutz gestellte  „Wunderbus aus Oldenburg“, nachzulesen im Internet im Online Magazin "Oldenburger Lokalteil" vom 22. 11. 2011. Cramers Diplomarbeit über diesen Omnibus ist heute die wissenschaftliche Grundlage für dessen Denkmalschutz. Heute stehen diese Omnibusse im Pekol-Museum in Oldenburg.


Pekol Fernreisebus P55 von 1955

Nach seinem Ingenieurexamen ging Cramer zur Firma Henschel nach Kassel, wo der Pekol-Bus in Serie gebaut werden sollte. Genietete, selbsttragende Aluminium-Omnibuskonstruktionen erwiesen sich zwar als genial,  aber zu teuer für eine Serienproduktion. Henschel gab deshalb den Busbau auf. Cramer war auf der Suche nach einer neuen Aufgabe. Durch eine Anzeige in den VDI-Nachrichten fand er eine Anstellung als Entwicklungsingenieur bei der Firma MAFI in Korntal bei Stuttgart. Bei MAFI trafen Visionen und geniale Ideen aufeinander. MAFI war ein kleiner Transportgerätebauer im Aufbau mit einem eigenen Fertigungsbetrieb in Tauberbischofsheim. Für diese Fertigung wurden Neukonstruktionen für den innerbetrieblichen Schwerlasttransport gesucht. Cramer entwickelte gleislose Schwerlastanhänger, insbesondere für die Stahl- und Werftindustrie. MAFI wurde zum Inbegriff dieser Entwicklung. 1964 kam die Dänische Reederei DFDS auf MAFI zu und fragte nach einem Verladekonzept für Ro-Ro-Schiffe. Die gelieferten 35 to. Schwerlastanhänger erwiesen sich als großer Erfolg. Es war eine Zeit, in der die Schiffahrt nicht wusste, wohin die Entwicklung führt. Wird es ein Pallettenverkehr, ein Ro-Ro-Verkehr mit Schwerlastanhängern oder ein Containerverkehr? MAFI setzte auf den Ro-Ro-Verkehr und entwickelte das ursprünglich für DFDS erarbeitete Konzept weiter. Im Februar 1966 hatte Cramer dann seine „geniale Idee“ - den MAFI-Rolltrailer. Dieses Transportkonzept wurde vor 50 Jahren von Ulrich Cramer zum Patent angemeldet und ist noch heute weltweit populär.


Rolltrailer „Die Idee seines Lebens“  aus Fachzeitschrift  ConTrailo“


Skizze Rolltrailer aus 1966, aus Archiv Ulrich Cramer

In der Container-Fachzeitschrift ConTrailo ist in der Ausgabe vom April 2016 ein ausführlicher Bericht über Cramers Erfindung erschienen. Diese Erfindung hat wesentlich zur Revolution des See-Fracht-Verkehrs beigetragen. Zu jener Zeit plante die amerikanische Regierung ein militärisches Seetransport-Konzept zur weltweiten Versorgung ihrer Truppen, das FDLS-Schiff (Fast Deployment Logistic Ship). Litton Industries hatte für dieses Projekt eine Ausschreibung gewonnen und stellte ein Experten-Team zusammen. Auch Cramer wurde in dieses Team berufen und traf im Oktober 1966 in Los Angeles auf die Pioniere des Containerverkehrs der ersten Stunde. Sie hatten 1957 die „Ideal X“, das erste Containerschiff mit Aluminium-Containern, auf den Weg gebracht. Cramer bekam Zugang zu den Erfahrungen, die bis dahin im Containerverkehr gesammelt worden waren. Auf dem Rückweg nach Deutschland wurde ihm empfohlen, in New York Station zu machen und Tom Newman von CTI (Container Transport International) zu besuchen. CTI ist einer der Pioniere des weltweiten Container-Leasing. Er zeigte Ulrich Cramer den Containerverkehr zwischen San Franzisco und Puerto Rico mit 35 Fuß Aluminium-Containern. Tom Newman hatte die Vision von 20 Fuß und 40 Fuß Stahlcontainern und gab Cramer für MAFI einen Auftrag über 100 Stk. 20‘ Stahlcontainer mit auf den Weg. Zwischenzeitlich war bei MAFI die Nachfrage nach Rolltrailern so stark gestiegen, dass die Fertigung auf mehrere Betriebe im In- und Ausland ausgelagert werden musste. Eine zusätzliche Fertigung von Containern war undenkbar. Zusammen mit der Waggonfabrik Gebr. Wegmann in Kassel wurde dann im Frühjahr 1967 der 20‘ Stahlcontainer für CTI gebaut. Kurz vorher hatte MAFI von der ersten europäischen Container-Reederei, ACL (Atlantic Container Line) den Auftrag für die Lieferung von Rolltrailern erhalten. Damals war noch nicht zu erkennen, wie der Trend in der Schiffahrt verlaufen würde. ACL baute daher „Ro-Ro-Container-Schiffe“: Rolltrailer und Autos unter Deck und Container auf dem Deck. Die Container (aus Aluminium) wurden auf dem amerikanischen Leasing-Markt beschafft. Als der Beauftragte von ACL zur Abnahme der Rolltrailer nach Tauberbischofsheim kam, wurde ihm auch die Stahlcontainerfertigung in Kassel gezeigt. Spontan erhielt MAFI einen größeren Auftrag über 20 Fuß und 40 Fuß Container in Stückgut- Open Top- und Isolier-Ausführung. Dies war weltweit die erste Stahlcontainer-Serienfertigung für eine Container-Reederei. Das 50jährige Jubiläum können wir im Frühjahr 2017 feiern. Die Konstruktion der Stahlcontainer hat sich in diesen 50 Jahren kaum verändert. Heute werden nur noch Stahlcontainer im internationalen Seeverkehr eingesetzt. Die ursprünglichen Aluminium- und GFK-Sperrholz-Container sind vom Markt verschwunden. Ausgestellt hat MAFI diese Errungenschaften 1967 auf der Hannover Messe.


Rolltrailer u. Container, aus Archiv Ulrich Cramer

1971 machte sich Ulrich Cramer mit seinem eigenen Ingenieurbüro CONTEC selbstständig. Er half in Deutschland beim Aufbau des kombinierten Verkehrs. Für die Vereinten Nationen half er beim Ausbau der Häfen in Afrika und im Mittleren Osten. Sein größter Coup war jedoch der Auftrag, den er 1979 für den Bau einer Stahlcontainerfabrik in Shekou in der Volksrepublik China bekam. Zu dieser Zeit existierte noch der Eiserne Vorhang und die Bundesrepublik hatte noch keine diplomatischen Beziehungen zu China. Die East Asiatic Company in Kopenhagen war der Ansprechpartner. Diese Fabrik, CIMC (China International Marine Containers), war die erste ihrer Art in China. Heute werden weltweit diese Container nur noch in China gebaut und sind die Basis für Chinas Exportwirtschaft. Als 2007 das 50jährige Jubiläum der „Ideal X“ gefeiert wurde, hat die Internationale dem die Container-Experten der Pionierzeit zu Wort kommen. Ulrich Cramer, Foto aus dem Film „Container 50".
In diesem Film erzählt Cramer ausführlich von seinen Erfahrungen aus der Pionierzeit des Ro-Ro- und Containerverkehrs. Es war schwierig Abmessungen und Gewichte zu standardisieren, die zolltechnisch gerechte Ausführung sicherzustellen, und die Lebensdauer sowie Reparatur von Containern zu gewährleisten. Internationale Gremien wie ISO (International Standard Organisation), IICL (International Institution of Container Lessor) und TIR legten diese Standards fest. Cramer war hier an vorderster Front tätig. Wenn er ins Plaudern kommt, erzählt er Anekdoten: Warum die vorherrschende Farbe der Stahlcontainer rostbraun ist; oder warum ein mit Aluminium-Leuchtspurmunitionshülsen beladener Container von der Biskaya nach Nordirland schwamm. Wie die amerikanische Container-Leasing-Gesellschaft Flexi Van 1971 CONTEC mit der Vereinbarung kaufte, dass er seine Firma nach drei Jahren für einen US-Dollar zurückkaufen kann.
Bis zu seinem 73. Lebensjahr war Ulrich Cramer in seinem Beruf aktiv. „Heute schreibe ich über mein Elternhaus, die Burg Edenserloog, meine Familie und das Häuptlingsgeschlecht derer von Werdum“, so Cramer. Er ist also noch immer überaus aktiv und möchte gerne noch Einiges vom Schreibtisch haben was bislang nicht veröffentlicht oder in Vergessenheit geraten war.
Seinen Lebensabend verbringt der 82-jährige Ulrich Cramer zusammen mit Ehefrau Hilde in seinem Eigenheim in Ganderkesee. Dabei macht ihm die Gartenarbeit auf seinem großen Grundstück noch immer Spaß frei nach der Devise „Arbeit hält fit!“

Quellen: Heft „ConTrailo“, Ausgabe April 2016 - Verlag: K&H Verlags GmbH, Beverstedt Unterlagen/Schriftverkehr aus Archiv Ulrich Cramer