82-jähriger Adolf Filter war immer ein begeisterter
Fußballanhänger – der Sport spielte in seinem Leben eine große Rolle
Der 19. März 1945war ein denkwürdiger Tag. Millionen
Menschen waren in den Kriegswirren auf der Flucht. Dem Zug in Burhafe
entstiegen der elfjährige Adolf Filter, seine Mutter und Schwester (13). Aus
Jasenitz, in der Nähe von Stettin in Pommern, unweit der heutigen „Kultinsel“
Usedom hatte es sie nach Ostfriesland verschlagen. Mitnehmen durften Filters
nur das, was sie tragen konnten. Nach längstens 4 – 6 Wochen sollten sie wieder
zurückkehren... Inzwischen sind daraus 70 Jahre geworden!
Durch Vorpommern,
Mecklenburg, Hamburg, Bremen und Oldenburg ging es, unter oftmaligem Beschuss
durch Tiefflieger, nach Burhafe/Ostfriesland. Mit einem Pferdegespann wurde
die erste Station, der Gasthof Onken in
Werdum, erreicht. Im Laufe des Nachmittags ging es weiter nach Werdumeraltendeich (Hof Redelf Schwitters).
Dort kamen die Stettiner in einem Zimmer neben der Küche unter. Zu diesem
Zeitpunkt war Adolf Filter elf Jahre alt. Er ahnte noch nicht, dass er fünf
Jahre im Harlingerland leben würde.
Die angekommenen
Flüchtlinge waren froh, überhaupt eine Bleibe zu haben. Filter: „Wir mussten
nicht hungern, aber dafür natürlich in der Landwirtschaft mitarbeiten, da Redelf Schwitters Soldat war“.
Zurückblickend
stellt der muntere Alzeyer heute fest: „Die fünf Jahre in Ostfriesland bleiben
mir immer in guter Erinnerung“. Der Vater, Willi Filter, befand sich an der Ostfront und
konnte mit dem letzten Schnellboot die eingeschlossene Stadt
Kolberg/Hinterpommern verlassen.
Vom Großraum
Berlin aus hat Willi Filter dann versucht, in englische oder amerikanische
Gefangenschaft zu kommen und nicht bei den Russen. Dies war dem Vater gelungen,
er kam in amerikanische Gefangenschaft, aus der er im Juli/August 1945
entlassen wurde. Auf Umwegen brachte er in Erfahrung, das es seine Familie nach
Ostfriesland verschlagen hatte. Eine Postkarte als erstes Lebenszeichen
erreichte die Ehefrau und die Kinder wohl im August 1945. und kurze Zeit später
stieß der Vater zu seiner Familie auf dem Bauernhof Schwitters. Auch er wurde
dort von Frau Schwitters nett aufgenommen.
1946 wurden in
Werdum insgesamt 895 Einwohner
verzeichnet, von denen 191 Personen Flüchtlinge waren, was einem Anteil von
21,3% entspricht. 1950 registrierte man 950 Einwohner. Die Zahl der Flüchtlinge
lag bei 240. Die Quote stieg somit deutlich auf 25,3%.
Im Februar/März
1945 zog die Familie um. Das neue Domizil wurde in jetzt aus zwei Zimmern neben
dem Saal im 1. Obergeschoss bei Georg Janssen (Gasthof, Lebensmittel und
Baustoffe). Für Adolf Filter war es von
dort ein kurzer Weg zur Schule (bis 1948). Im Frühjahr des selben Jahres wurde
er in der Werdumer Kirche konfirmiert. Nach der Entlassung aus der Volksschule
besuchte er bis zum Sommer 1950 die Mittelschule in Esens (Lehrer Ebrecht).
Lobende Worte
findet Adolf Filter für Ulrich Cramer, damals Burg Edenserloog, heute
Ganderkesee: „Er hat mir damals sehr geholfen, um als „Flüchtling“ Anschluss zu
finden, dafür bin ich ihm noch heute dankbar, er hat mir manches erleichtert“.
Diese Freundschaft besteht heute noch!
Ein wichtiges
Bindeglied für die Heranwachsenden war der Sport,
insbesondere der Fußballsport, aber selbstverständlich auch das Boßeln. In
Werdum waren viele Flüchtlinge aus dem Osten gestrandet, darunter auch allerlei
Kinder und Jugendliche. Sie fanden sich zusammen und jagten dem
Fußball unter primitivsten Verhältnissen nach.
Man konnte keine hohen Ansprüche stellen, die Nachkriegswirren gaben es
nicht her. Die Kinder verstanden sich jedoch bestens, spielten Fußball und schufen sich damit Abwechselung in ihrem jungen Leben, egal ob
einheimische- oder Flüchtlings-Kinder.
In 1948 wurde
dann der SV Werdum gegründet, der drei Spieljahre bestand. Die Gründung des
Vereins hatte Vater Willi maßgeblich initiiert. Er war Beamter und selbst
Fußball-Fan. Daher trug die Vereinssatzung des Vereins auch seine Handschrift. Fußballspielen
ging fortan etwas geordneter zu. Der SVW
war einer der wenigen Vereine, der kurz nach dem II. Weltkrieg im Fußballbezirk
Ostfriesland gegründet wurden. Einen Sportplatz
gab es logischerweise nicht, eine grüne Wiese in Edenserloog (Ausgang nach
Altfunnixsiel) wurde zum Fußballplatz „aufgerüstet“. Das Spielfeld
durchlaufende Gräben wurden mit Raps-Schrot notdürftig ausgefüllt. Tore wurden aus dem geschaffen, was die Natur
her gab. Fußbälle gab es selbstverständlich auch nicht. Da bastelten die jungen
Fußballer aus verschiedenen Stoffen ein „rundes Etwas“ und schon ging es los.
Es mangelte an Trikots, Fußballschuhen, Tornetzen und so vielen, heute
selbstverständlichen kleinen Dingen, von Beförderungsmöglichkeiten ganz zu
schweigen.
In der Saison
1948/49 nahm der SV mit einer Mannschaft an den Spielen teil, in den beiden
Spieljahren 1949/50 und 1950/51 mit zwei
Mannschaften. Das erste Spiel bestritt der damalige SV
gegen den SV Fulkum. Weitere Gegner in den drei Spieljahren waren Dornum,
Neßmersiel, Burhafe, Voßbarg, Moordorf, Spetzerfehn, Dunum, Neuharlingersiel
und Ardorf. Der junge Adolf Filter spielte selbst gerne Fußball und fühlte sich
bald im Kreis der Jugendlichen und Aktiven als „Einheimischer“.
Das
Fußballinteresse von Adolf Filter war vom Vater im ursprünglichen Heimatort
Stettin bereits in Kinderjahren geweckt worden. Das prägende Ereignis fand dann
am 12. April 1942, mitten im Krieg, statt. Zusammen mit seinem Vater, der
einige Tage Fronturlaub genießen konnte, fuhr er mit der Reichsbahn zum
Länderspiel Deutschland gegen Spanien nach Berlin. Das Spiel endete vor 80.000
Zuschauern 1:1. Damals begegnete dem achtjährigen Adolf Filter zum ersten Mal
leibhaftig der „Rastelli des Fußballs“, Fritz Walter.
Adolf Filter
schwärmt noch heute: „Fritz Walter spielte als zweiter Linksaußen und fiel
durch sein fußballerisches Talent, seine Bescheidenheit und seine Fairness
auf“. Diese Begegnung hatte sich bei dem
jungen Adolf Filter tief in das Gedächtnis eingegraben und ließ ihn nicht mehr
los „Fritz Walter war für mich Sinnbild und Vorbild, nicht nur im Sport, er ist
es auch für das Leben geblieben.“ Ein weiteres,
besonderes Ereignis, stand am 12. Juni 1949 an. Im Weser-Stadion Bremen fand
das Viertelfinale um die Deutsche Meisterschaft zwischen dem FC St. Pauli und
dem 1. FC Kaiserslautern statt. Der junge Adolf
Filter schwang sich auf einen nicht sehr hochwertigen „Drahtesel“ und fuhr mit
seinem Vater und den beiden Freunden
Hermann Janssen und Ulrich Cramer die etwa 125 Kilometer nach Bremen um seinem
Fußballidol wieder zu begegnen – ein wunderbares Erlebnis für die Jungens!
Nach der Gründung
der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 verließ die Familie im Rahmen eines
Umsiedlungsverfahrens Werdum in Richtung Rheinland-Pfalz. Adolf Filter: „Bei
mir mit etwas Tränen in den Augen“. Bis 1953 wohnte
die Familie im beschaulichen Flomborn.
Im Sommer 1953
zogen sie nach Alzey, wo Filter bis zur Prima-Reife das Gymnasium besuchte. Mit
der Ausbildung bei der Stadtverwaltung Alzey begann eine 42-jährige
Schaffenszeit im dortigen Rathaus, davon 28 Jahre als Büroleitender Beamter.
Als Oberamtsrat ging er am 30.6.1996 in den Ruhestand.
Geheiratet wurde
am 2. Mai 1959. Die Auserwählte Katharina Stempel hatte Filter bereits Jahre zuvor in Flomborn
kennengelernt. Am 5.4.1960 wurde Sohn Uwe geboren, der als Schlosser tätig ist.
Tochter Anke folgte am 21.3.1966, die nach dem Abitur Betriebswissenschaft
studierte. Die Tochter von Anke ist das einzige Enkelkind und besucht die 11.
Klasse des Gymnasiums.
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Seine Liebe zum
Fußballsport hat Adolf Filter dann bereits in Flomborn wieder aufleben lassen.
Nach seiner Aussage waren es von dort nur noch 50 Radkilometer bis
Kaiserslautern, so das er einige Heimspiele des FCK verfolgen konnte. An die
„große Wasserschlacht 1952“ der Deutschen Nationalmannschaft gegen Jugoslawien (3:2) in Ludwigshafen
erinnert sich Filter noch genau und an die Begegnung mit den unauslöschlichen
Namen des Deutschen Fußballs: Fritz und
Otmar Walter und Horst Eckel.
Adolf Filters
Lebenstraum erfüllte sich am 19. August 1989, als im Wartbergstadion in Alzey
der Sepp-Herberger-Tag ausgerichtet wurde. „Ein ganzer Tag an der Seite meines
Sportidols Fritz Walter“, erinnert sich der muntere Senior, der es
zwischenzeitlich zum Bürochef der Stadtverwaltung Alzey avanciert
war. Die Organisation des Tages hatte er zur Chefsache gemacht. „Jetzt, wo ich
Fritz Walter ganz nah sein konnte, bestätigten sich alle die Eindrücke, die ich
im Verlauf von über 50 Jahren aus der Entfernung von ihm gesammelt hatte. Sein freundlicher
Umgang, seine Akzeptanz der Menschen, die einfache Art, mit der auf alle
zuging, das war die wahre Größe des Sportmanns Fritz Walter“.
Für Filter blieb
es nicht bei der Verehrung seines Idols, er arbeitete aktiv bei der
Sportgemeinde Rot-Weiß Olympia Alzey mit
und war maßgeblich an der Gründung des Fördervereins beteiligt, sechs Jahre
Vorsitzender und seit 1992 Ehrenvorsitzender der „Freunde und Ehrenvorsitzender
der „Freunde“, sowie seit 1996 Ehrenmitglied von RWO Alzey. Ein Höhepunkt in
der Vereinsgeschichte war das 50-jährige Vereinsjubiläum, das mit dem
zehnjährigen Bestehen der „Freunde von SG RWO Alzey“ zusammenfiel. Gekrönt
wurde das Jubiläum durch den Auftritt des FC Bayern München, bei dem sich
die Alzeyer Kicker mit einer 3:5
Niederlage achtbar schlugen. Für seine vielfältigen Verdienste um den
Fußballsport wurde Adolf Filter im März 2014 die Verbandsehrenadel des
Südwestdeutschen Fußballverbandes verliehen.
Auch beruflich
hat Adolf Filter seinen Weg gemacht. Dabei hat er sich als „Motor“ der
Ansiedlung von Industriebetrieben erwiesen. Nach 42 Dienstjahren wurde er im
Juni 1996 als Oberamtsrat in den Un-Ruhestand verabschiedet. Aus diesem Anlass
war im „Alzeyer Anzeiger“ zu lesen: „Er war kein Mann der lauten Worte, aber
ist das positive Beispiel eines Beamten, dem stets bewusst war, dass die Bürger
diesen Staat ausmachen“. Gleichwohl hat
Filter seine Ziele, ob beruflicher oder auch sportlicher Art,
stets beharrlich und mit großem Engagement verfolgt. Im Januar 2015 wurde er mit der goldenen
Ehrennadel der Stadt Alzey ausgezeichnet. Beim Lions-Club Alzey war Adolf
Filter Mitbegründer und 1974/75 auch
deren Präsident.
Adolf Filter im
Gespräch: „Der Sport und auch die unvergesslichen Jahre in Werdum haben mein
Leben geprägt und immer einen besonderen Stellenwert gehabt“.
Zum Schluss sei
noch angemerkt, das der Alzeyer in seiner Werdumer Zeit von 1946 bis 1950 den
„Harlinger“ ausgetragen hat. Filter:
„Ich kam nahezu in jeden Haushalt, sprach wohl recht gut „Platt“ und hatte
deshalb sehr gute Kontakte. Manchmal gab es ein kleines Trinkgeld oder auch
etwas essbares – man war ja nicht verwöhnt“.
Der fitte Senior
aus „Alzey, im Herzen des Weinparadieses Rheinhessen“, wie er es in seinen
Ausführungen für den Verfasser des Berichts formuliert: „So ist aus dem jungen
Zeitungsausträger der Nachkriegsjahre dann doch noch etwas geworden. Die Jahre
nach dem verlorenen Krieg waren für uns alle nicht einfach, wobei allerdings
der Verlust der Heimat besonders schwer wiegt. Ich werde die fünf Jahre in
Werdum/Ostfriesland und viele nette Menschen nicht vergessen. Die Zeit hat mich
geprägt – positiv!“ -
Heute vollendet
Adolf Filter sein 82. Lebensjahr. Das WERDUMER BLATT gratuliert dem fitten
Senior recht herzlich und wünscht für die weitere Zukunft alles Gute,
insbesondere Gesundheit. Möge ihm seine Schaffenskraft und die Begeisterung für
den Fußballsport noch viele Jahre erhalten bleiben!
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