Raiffeisenbank wäre 100 Jahre alt geworden                                                                21.03.14


Bürgermeister Wilhelm Janssen
beim 50-jährigen Jubiläum 1964

„Werdum ist froh darüber, in der Gemeinde eine leistungsstarke Kreditgenossenschaft zu haben.“ So schrieb der damalige Werdumer Bürgermeister Ferdinand Eden 1989 in seinem Grußwort in der Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum.
25 Jahre sind seitdem vergangen, Werdum hat im Zuge der Konzentrationsprozesse der letzten Jahre  zwar seine Genossenschaftsbank verloren, eine Bankfiliale gibt es jedoch weiterhin in der 700-Einwohner-Gemeinde, auch wenn die Zentrale weit weg in Süd-Ostfriesland -Remels sitzt.
Man mag bedauern, dass damit die Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort durch eine eigene genossenschaftliche Vertretung verloren sind, jedoch sind die Wirtschaftskreisläufe derzeit eher global und nicht lokal, so dass wir froh sein müssen, dass diese genossenschaftliche Bank weiterhin ihre Entscheidungszentrale in Ostfriesland und nicht in Hamburg, Frankfurt oder gar in den USA hat

„Was dem einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele, das vermag eine Anzahl Bewohner einer Gemeinde, eines Bezirkes ...“
Dieser Wahlspruch Friedrich-Wilhelm Raiffeisens (1818-1888), des deutschen Erweckers der insbesondere landwirtschaftlichen Genossenschaftsidee, hat auch im Jahr 1913 einige Werdumer bewegt, aktiv zu werden, um für den eigenen Wirkungskreis, das eigene Dorf, den eigenen Hof mehr Dinge zu bewegen, als es der eigene kleine Geldbeutel sonst zuließe. Als Haupt-Initiator darf der Gastwirt und Kaufmann Antoni Onken (1873-1939) gelten, der -als ehemaliger Segelschiffkapitän aus dem Leeraner Raum stammend- 2 Jahre zuvor den ehemals Schaafschen Gasthof (heute „Freesenkroog“) übernommen hatte und aus seiner Heimat Erfahrungen mit der Genossenschaftsidee mitbrachte. Folgerichtig erfolgte im Dezember 1913 im „Anzeiger für Harlingerland“ folgender Aufruf:

„Zwecks Gründung einer Spar- und Darlehnskasse zu Werdum werden Interessenten ersucht, sich am Dienstag, den 16. Dezember, abends 6 Uhr, in Onkens Gasthof zwecks näherer Besprechung einzufinden.

Diese Zusammenkunft muss wohl erfolgreich gewesen sein, da Gastwirt Onken bereits am nächsten Tag nach Hannover schrieb:
„Werdum, den 17. Dezember 1913
An den Verband hannoverscher Landwirtschaftlicher Genossenschaften in Hannover

Unterzeichner ersucht ergebenst den Verband im Namen vieler hiesiger Landwirte im Laufe des Monats, evtl. im Januar nächsten Jahres, einen Herrn zwecks Vortrag über Gründung einer Spar- und Darlehnskasse zur Verfügung zu stellen. Gestern abend ist bereits in meinem Saal eine Versammlung gewesen und haben sich genügend Interessenten gemeldet, so daß eine Gründung zweifelsohne vor sich gehen wird.
Auf Antrag vieler Interessenten wird Herr Wanderlehrer Fricke von dort gewünscht. Die Versammlung findet in meinem Saal statt. Um Rückantwort bittet hochachtungsvoll

Antoni J. Onken, Gastwirt und Kaufmann“


In Onkens Gasthof, heute "Freesenkroog",  wurde die Bank gegründet

Die Gründungsversammlung fand dann unter Teilnahme von Herrn Fricke, der als eine Art „Außendienstmitarbeiter Vertrieb“ des genossenschaftlichen Verbandes in Hannover gelten darf, am 3. Januar 1914 in Onkens Gasthof statt. 21 Personen wurden Mitglied in der Genossenschaft, die Mitgliedsliste liest sich wie ein „who´s who“ der Dorfbevölkerung -einige Nachkommen der beschriebenen Personen leben heute noch hier-: Landwirt Friedrich Bremer (1877-1940) aus Neu-Werdumer Grashaus (Vorsitzender des Aufsichtsrats), Landwirt Hermann Ommen (1875-1959) aus Klein-Husums (Mitglied des Aufsichtsrats), Landwirt Willm Friedrich Mammen (1877-1954) aus Edenserloog (Vorstandsvorsitzender), Landwirt Diedrich Janßen (1879-1963) (Vorstandsmitglied) aus Werdum-Kapelle, Landwirt Siebelt Sassen (1882-1971) aus Werdumer Altendeich, Landwirt Johann S. Janssen (1870-1914) aus Groß-Husums (Mitglied des Aufsichtsrats), Lehrer August Hollmann aus Werdum, Landwirt Ommo Rieken (1844-1936) aus Werdumer Altendeich, sein Sohn Landwirt Johann Rieken (1886-1954) aus Werdumer Altendeich, Landwirt Claas Osterkamp (1875-1921) aus Wallum, Müller Heinrich Eilts aus Werdum, Landwirt Johann Habben (1880-1950) aus Boisenhausen, Kaufmann Antoni Onken aus Werdum (Rendant, Mitglied des Vorstandes), Schuhmacher Johann Pieper aus Werdum, Landwirtin Anna Ulfers aus Boisenhausen, , Landwirt Heike Heyken (1866-1950) aus Edenserloog, Bäcker David Gastmann aus Werdum, Handelsmann Gerhard Galts aus Werdum, Schuhmacher Johann Reents aus Werdum, Maler Wilhelm Siemons aus Werdum und Landwirt Tjard Oltmanns (1860-1943) aus Groß-Husums.
Am 29. Januar erfolgte unter der Nr. 16 zum 21. Januar die Eintragung in das Genossenschaftsregister des „Königlichen Amtsgerichtes“ in Esens und ab Februar die Aufnahme des Geschäftsbetriebes in einem Raum des Onkenschen Hauses.
Die Mitgliederzahl nahm schnell eine rasante Entwicklung, jedoch verhinderte der Ausbruch des 1. Weltkrieges im August 1914 bessere Bilanzzahlen.Die Einberufung der handelnden Personen ließ ebenfalls keine geordnete Geschäftspolitik zu. Nach dem Krieg kam die Inflation und damit die Entwertung der Sparbuch-Guthaben. Die Ende 1923 neu eingeführte Rentenmark konnte nur zu hohen Zinsen aufgenommen werden, die darauf folgenden sog. „Goldenen 20-er Jahre“ konnten auf dem Land nur bedingt Einzug finden, da die Produktpreise fielen und zusätzliche Verschuldung auslösten. Besonders schwierig wurde es dann in den Jahren 1928-31, als auch im Deutschen Reich katastrophale wirtschaftliche Verhältnisse eintraten. Dies besserte sich -trotz Gleichschaltung der Genossenschaften durch die nationalsozialistische Regierung- erst Mitte der 1930er Jahre. 1936 wurde dann der Geschäftszweig des landwirtschaftlichen Warenverkehrs eingerichtet: Die Landwirte konnten nun Saatgut, Dünge- und Futtermittel nun unmittelbar vor Ort beziehen und mussten nicht aufwändige Wege nach Esens, Carolinensiel oder Wittmund in Kauf nehmen.
Nach dem Tod von Antoni Onken 1939 wurde sein Sohn Erich, der in Wittmund Bankkaufmann gelernt hatte, sein Nachfolger. Krieg und Nachkriegszeit bis zur Währungsreform 1948 brachten Einschnitte in der Geschäftsentwicklung, die jedoch danach schnell wieder aufgeholt werden konnten. 1951 wurden Geschäftsräume in dem neuen Haus von Erich Onken bezogen, 1952 ein erstes massiv errichtetes Lagerhaus errichtet, das 1958 um einen Kornsilo mit Trockungsanlage erweitert wurde. 1959 erfolgte die Inbetriebnahme einer Gefrieranlage. 1977 schließlich wurde eine weitere Lagerhalle in Groß-Charlottengroden (bei Carolinensiel) in Betrieb genommen, die 1980 und 1987 erweitert wurde.
Nach rund 50jähriger Tätigkeit in der Werdumer Genossenschaft trat Erich Onken 1976 in den Ruhestand. Sein Nachfolger zum Bankleiter wurde sein ehemals erster Lehrling und langjähriger Stellvertreter Erwin Peters. Zum weiteren Vorstandsmitglied wurde 1978 auf Grund neuer gesetzlicher Vorschriften  ("Vier-Augen-Prinzip") der Bankleiter Heiko Habben berufen.

1989 hat die Raiffeisenbank Werdum mit der Raiffeisenbank Wittmund fusioniert, die weiteren Fusionen unterlag, bis 2001 die Raiffeisen-Volksbank Aurich mit Sitz in Remels mit einer Bilanzsumme von derzeit 1,35 Mrd. Euro und 25.000 Mitgliedern (2012) entstand
Rainer Hinrichs


Gründer Antoni Onken und Frau


Werdum in den 70-iger Jahren

Quellen und Literatur:

Rainer Hinrichs, Wurzeln in Werdum, Beilage „Wochenende“, Anzeiger für Harlingerland, 10.09.11
Alma Onken/Elfriede Hillers-Onken, Chronik der Familie Onken, Aurich 1987
Günter Peperkorn, Werdum-Aus der Geschichte eines Marschendorfes, Thunum 2003
Erwin Peters, 75 Jahre Raiffeisenbank Werdum eG, Werdum 1989
Wikipedia, Stichwort: Raiffeisen-Volksbank Aurich