Der "Kuhflüsterer" war in Stedesdorf am Werk                                             13.04.13
Der "Kuhflüsterer" Philipp Wenz
Die Kühe parieren

Kuhflüsterer ist eigentlich die falsche Bezeichnung, denn Philipp Wenz wirkt nicht sprachlich auf die Rinder ein, sondern lenkt sie mit seiner Körpersprache. Dabei spielt es keine Rolle, ob mit einem Tier oder einer ganzen Herde gearbeitet wird. Doch dazu später mehr.
Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau hatte zu einer Fortbildungsveranstaltung nach Stedesdorf eingeladen. Ralf Neumann, zuständig für den Bereich Präventation, begrüßte die gut zwanzig Landwirte und Mitarbeiter und bedankte sich bei Siebo Siebelts, Vorsitzender des Zweigvereins Harlingerland mit seinen rund 310 Mitgliedern, für die organisatorische Unterstützung. Neumann: „In Niedersachsen-Bremen gibt es rund 18.000 gemeldete Betriebe. Davon hat der Bereich „Tierhaltung“ 40 Prozent Anteil. In 2011 wurden insgesamt rund 1.900 Unfälle/ Angriffe durch Rindvieh zu vermelden. Daran gilt es in Zusammenarbeit der Berufsgenossenschaft Niedersachsen (BGN) zu arbeiten, um die Unfallzahl zu vermindern“.

Im zweieinhalbstündigem theoretischen Teil der Veranstaltung fesselte Philipp Wenz die Zuhörer. Der 44-jährige Kuhflüsterer aus Roggentin im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte (Mecklenburg-Vorpommern) hat diverse Ausbildungen durchlaufen. Prägend für seine Tätigkeit als selbstständiger Berater für stressarmen Umgang mit Weidetieren, Milchvieh- und Rinderhaltung, war
  nach seinen Aussagen die Aufgabe als Betriebsleiter auf größeren Betrieben in Ostdeutschland in der Mutterkuhhaltung.
Wenz zu Beginn seiner Ausführungen: „99 Prozent der Probleme mit dem Tier liegen beim Menschen. Wenn etwas passiert, ist der Mensch selber Schuld, denn er hat jegliche Signale der Tiere missachtet. Es handelt sich um Fluchttiere, die sich bei falschem Umgang in die Enge getrieben fühlen. W
enz weiter: Das Tier signalisiert „Hilfe, nicht näher kommen, stelle ich mich oder laufe ich weg?“
Diese Stresssituationen gilt es zu vermeiden. Der Begriff „Kuhkomfort“ ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Zum Komfort gehört jedoch nicht nur die Stalleinrichtung, sondern auch der Umgang mit den Tieren, der Service sozusagen. Zweimal täglich haben Mensch und Tier beim Melken miteinander zu tun, da ist es wichtig, das die Begegnungen möglichst stressarm verlaufen. Um dieses zu erreichen, kommt der Begriff „Low-Stress-Stockmanship“
   ins Gespräch. Dabei hat das Wort „Stockmanship“ nichts mit Stöcken im Sinne von Knüppeln zu tun, sondern  es lässt sich wie folgt deuten: Stock sind die  Nutztiere, der Viehbestand, Man  ist der Mensch und ship gleich „schafft“, so wie in Freund-“schaft“. Stockmanship kommt aus den USA und wurde dort vor langen Jahren von Bud Williams im Alleingang entwickelt. Er gab sein Wissen in Kursen weiter in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Mexiko.
Die Umsetzung dieses Wissens in den heutigen Betrieben ist unerlässlich. Philipp Wenz: „Rinder sind hervorragende Beobachter, wir müssen mit unseren Tieren arbeiten und nicht darum herum. Nicht „was“, sondern „wie“ ist entscheidend
  im Umgang mit Tieren“. Der Referent stellte klar, dass das Betreuungsverhältnis sich verändert hat. Die Betriebe seien größer geworden (Laufställe) und damit auch die Stresssituationen.  Wenz: „Die Kontrolle über die  Tiere ist entscheidend, die Landwirtschaft steht in der Verantwortung. Gute Arbeit mit Tieren zeichnet sich durch zwei Pole aus  und zwar Respekt und Vertrauen.
Dem theoretischen Teil schloss sich nach dem Mittagessen die praktische Arbeit an. Dazu hatte sich Weert Baack, Insenhausen, mit seinem Betrieb zur Verfügung gestellt.

Baack: „Vor knapp drei Jahren habe ich den Milchviehbetrieb von meinem Vater übernommen. Zurzeit melken wir 250 Kühe, die bereits unter dem Begriff „Low stress stockmanship“ gehalten werden.
 
Philipp Wenz stellte danach sein Können mit einem Teil des
Mitviehs eindrucksvoll unter Beweis. Der Kuhflüsterer: „Ja, die Menschen! Sie müssen bereit sein, etwas Neues zu lernen. Leider ist es so, dass wir uns den Tieren gegenüber intuitiv falsch bewegen. Wir können aber lernen, zu verstehen, wie die Tiere fühlen und unser Verhalten entsprechend verändern. Darüber hinaus gibt es keine Voraussetzungen. Es ist unglaublich, was die Tiere alle mit und für uns tun können, wenn wir ihnen keine Angst machen“. Den Beweis seiner Wort trat Philipp Wenz anschließend an. Über das Mikrofon erklärend begleitet, bot er den Teilnehmern der Veranstaltung eine eindrucksvolle Demonstration des richtigen Umgangs mit Tieren. Dabei ist keine Kraft notwendig, sondern Aufmerksamkeit. Es gilt die Tiere zu „lesen“ und sich richtig zum Tier zu positionieren. Wenz bewegte sich bei seiner rund einstündigen Arbeit ruhig, leise und harmonisch und führte aus „Rennen ist nicht notwendig, denn wer rennt, hat entscheidende Signale übersehen“. Er baute Druck auf durch Distanzverringerung oder betrieb  Druckabbau durch Vergrößerung der Entfernung. Dabei bewegte er alle Tiere oder trennte auch einzelne aus der Herde heraus. Alles  hinterließ einen ruhigen, entspannten Eindruck – der Kuhflüsterer hatte „seine“ Tier „im Griff“!
Die Zuschauer waren beeindruckt, jetzt heißt es, die gemachten Erfahrungen und Eindrücke im eigenen Betrieb umzusetzen!


V. r.: Kuhflüsterer Philipp Wenz, Ralf Neumann von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, Zweigverein Harlingerland Vorsitzender Siebo Siebelts und Siegmund Beermann, Betriebs-Revisor


Alle hören gespannt zu und bewundern die Methoden von Philipp Wenz